
Pilotprojekte Gebäudetyp E im Forschungsbau
E = einfach oder experimentell
Bauen wird immer komplizierter, langsamer und teurer. Dabei sollte es einfacher, schneller, günstiger und auch architektonisch vielfältiger werden. Deshalb initiierte die Architenkammer den neuen Gebäudetyp E.
Bauen trotz Regulariendickicht
Das Planen und Bauen findet in einem zunehmend engen Geflecht von Normen und Vorschriften statt. Diese bestimmen zum großen Teil die technische Umsetzung von Gebäuden sowie deren Dimensionen und Ausstattungsstandards. Dabei treiben sie die Komfortansprüche in perfektionistische Höhen, die unter dem Aspekt der Suffizienz das nachvollziehbar notwendige Maß längst überschritten haben.
Fast alle zu beachtenden Normen sind privatrechtlicher Natur und werden als sogenannte ‚Regeln der Technik‘ zum Standard. Ihre Einhaltung ist damit Voraussetzung für ein mangelfreies Bauwerk, ohne, zum Beispiel aus Gründen der Bauwerkssicherheit, zwingend erforderlich zu sein. Über die Jahrzehnte hat sich somit ein Regelwerk aus DIN-Normen, Richtlinien und Labels etabliert, das größtenteils nicht der Qualitätssicherung des Bauens dient, sondern im Gegenteil eher ein Hemmnis darstellt. Das Ergebnis ist eine Neubauroutine, die eine qualitätsarme Gleichförmigkeit bei gleichzeitiger Einhaltung von Standards aufweist. Will man sich an alle Regeln, immerhin ca. 24.000, halten, sind Innovationen kaum mehr umsetzbar. Ein Zustand, der jeglicher Innovationskraft abträglich ist.
Um diesem Dilemma zu begegnen wurde der neue Gebäudetyp E, wie einfach oder experimentell, durch die Architektenkammern iniziiert. Auch das Justizministerium unterstützt diesen Gebäudetyp durch Vorlage eines Referentenentwurfs.
Es bedarf dringend einer Befreiung von Normen und Richtlinien damit planerischer Freiraum entsteht. Dies kann den qualifizierten Berufsgruppen ermöglichen, ihre fachliche Expertise durch innovatives Denken in den Prozess einzuspeisen. Fachkundige Bauherren erhalten dadurch die Chance, die aus ihrer Sicht für das konkrete Projekt notwendigen Standards gemeinsam mit den Planenden festzulegen. Damit gestalten sie zugleich selbstbestimmt die notwendigen Abwägungsprozesse. Nur so können Planende aller Fachrichtungen mit Blick auf das Wesentliche suffizient, nachhaltig und qualitätsorientiert bauen.
Gebäudeklassen anders gedacht - Gebäudetyp E
Neben dem dazu bestehenden System in der Bauordnung können Bauvorhaben dem Gebäudetyp „E“, im Sinne von „Einfach Bauen“ oder „Experimentelles Bauen“ zugeordnet werden. Für diese Projekte gelten die Normen und Richtlinien, auf die Art. 85a Musterbauordnung (MBO) verweist, nicht zwingend. Grundsätzlich gelten die Schutzziele der Bauordnungen, vgl. § 3 (genauer in §§ 12-16) Standsicherheit, Brandschutz, gesunde Lebensverhältnisse und Umweltschutz.
Am Beginn eines „E“-Projekts steht eine sorgfältige, gemeinsame Festlegung zwischen Planern und Bauherr zu den Zielen und Qualitäten, die frei vereinbart werden, sich aber an gängigen Standards orientieren können. Diese Aufstellung macht die Eigenschaften des Gebäudes dauerhaft transparent. Die sichtbare Kennzeichnung der neuen Gebäudetypen “E“ verdeutlicht, dass es sich um ein Gebäude handelt, das ggf. von gängigen Standards abweicht, ohne dabei aber die Schutzziele der Bauordnung zu missachten.
Das reduzierte Regelwerk ermöglicht es Bauherren und Planern, Standards, Materialien und Ausführungsdetails aufeinander anzupassen, sodass sinnvolle und nachhaltige Gebäude zu bezahlbaren Kosten entstehen. Zur Nachhaltigkeit gehört neben der gemeinsamen Zielbestimmung auch eine gute Gestaltung und Abstimmung auf die Nutzerbedürfnisse. Es entstehen durch den Gebäudetyp „E“ keine Unsicherheiten, da das bestehende System nicht verändert wird. Dieses wird damit lediglich um einen zusätzlichen Planungsweg bereichert, indem sich ein neuer Raum von Möglichkeiten eröffnet. Tatsächlich (umgesetzt)e Abweichungen können dem Nutzern gegenüber benannt und erläutert werden.
Vorteil bzgl. Sanierungen von Bestandbauten
Gerade in Bezug auf den Gebäudebestand würde eine Anwendung des Gebäudetyps E oftmals dazu führen, dass eine Sanierung wirtschaftlich bleibt und auch im Sinne der Nachhaltigkeit das Gebäude erhalten werden kann. Die MPG setzt hierzu 2 Pilotprojekte auf, um auch im Forschungsbau zu untersuchen, in wie weit der Gebäudetyp E hier Anwendung finden kann:
- Erweiterung MPI für Evolutionäre Anthropologie, Leipzig
- Sanierung MPI für Geoanthropologie, Jena